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The American Way

We don't need anybody. And we don't need to be ripped off by the rest of the world either, because those days are over. US-Präsident Donald Trump im Mai 2019 beim Besuch im LNG-Terminal Cameron.
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Those days are over. Die Tage, in denen die USA in Sachen Energie von anderen abhängig war, die sind vorbei. Das hat US-Präsident Donald Trump erst kürzlich verkündet. Der Ort war passend, Trump besuchte das Cameron LNG-Terminal, das seit kurzer Zeit in Betrieb ist. LNG steht für Liquified Natural Gas, also Flüssigerdgas. Und diese drei Buchstaben versprechen den USA einen Export-Boom. Die Amerikaner wollen nämlich nichts weniger werden, als der Welt größter LNG-Exporteur. Das Erdgas ist da auf der Seite der USA, kann man es doch auf Schiffen transportieren und muss es nicht mehr mühsam per Pipeline an den Mann bringen. Daran sind bisherige Beziehungen zwischen den USA und diversen Partnern gerne gescheitert: eine Pipeline durch den Atlantik? Nicht machbar. Schiffe aber, die kann man nach Asien und Europa schicken. Damit das aber möglich ist, muss das Erdgas erst LNG werden – also flüssig.

Hierfür wird Erdgas auf etwa minus 164 Grad Celsius runterkühlt. Dann nämlich verändert es seinen Aggregatzustand von gasförmig zu flüssig. Damit der Vorgang klappt, müssen zunächst sämtliche Nebenprodukte aus dem Erdgas gefiltert werden. Wasser zum Beispiel – das würde nur gefrieren und den ganzen Prozess behindern.

Aber zum Beispiel auch Kohlenstoffdixoid und Kohlenstoffdisulfid. Übrig bleibt fast reines Methan, immerhin 98 Prozent. Dieses Methan ist es schließlich auch, das so lange runtergekühlt wird, bis es flüssig ist – LNG entsteht. LNG selbst ist hierbei sowohl farb- als auch geruchlos. Darüber hinaus ist es nicht entflammbar und grundsätzlich auch nicht giftig.

Was ist das Besondere an LNG?

Der große Vorteil dieser Methode: das Volumen des Ergas‘ wird um das 600-fache reduziert, damit lassen sich deutlich größere Mengen transportieren, eben insbesondere auch per Schiff.

Und genau das wollen die USA in den kommenden Jahrzehnten tun. Die Zeichen stehen gut, die Amerikaner sind auf dem besten Weg, zum weltgrößten Exporteur von LNG zu werden. Die Zeitspanne, in der sie das geschafft haben, ist bemerkenswert. Anfang dieses Jahrtausends hatte man sich in Übersee nämlich noch auf das Gegenteil vorbereitet. Aus Angst vor einem Ende des Öl-Booms stampfte man damals nicht Export- sondern Importterminals aus dem Boden. Those days are over.

Viele Vereinigungen der Industriebranche sitzen in Washington D.C. Also dort, wo Politik gemacht wird. In einem schicken Konferenzraum in Downtown, nur wenige Gehminuten vom Weißen Haus entfernt, arbeitet Charlie Riedl.

Er kennt die LNG-Branche in- und auswendig. Im Gespräch erzählt er, wie sie sich in den letzten Jahren verändert hat.

Seit drei Jahren erst exportieren die Amerikaner LNG, dabei sind viele Terminals noch gar nicht einsatzbereit. Statt neue Anlagen zu bauen, rüsten die Firmen ihre einstigen Import-Terminals um, um von dort aus LNG in alle Welt verschiffen zu können. In Cameron LNG am Calcasieu Lake in Louisiana ist am 1. Juni 2019 das erste Schiff mit LNG aufgebrochen. Etwa 50 Meilen westlich – direkt an der Küste des Golf von Mexiko – in Sabine Pass war es 2016 bereits soweit. Seit dem arbeitet man dort an vier weiteren sogenannten „trains“, um mehr LNG zu exportieren. Weiter nach Texas, noch weiter westlich. Bei Freeport LNG, 70 Meilen südlich von Houston, laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um das Terminal Export-bereit zu machen. Genauso in Corpus Christi. Und das sind bei Weitem nicht alle Anlagen. Die Richtung aber wird klar, das Energieministerium in Washington D.C. beschreibt LNG mittlerweile schon als „freedom gas“, also Freiheitsgas, und die Produktion von fossilen Energieträgern als „molecules of U.S. freedom“. Von anderen abhängig sein? Those days are over.

Welche Rolle spielt Deutschland dabei?

Aus deutscher Sicht wirkt der Fokus der Amerikaner auf fossile Energieträger fast schon absurd. Hierzulande diskutiert man über strengere Klimaziele, jeden Freitag streiken abertausende junge Menschen für eine bessere und nachhaltigere Energiepolitik.

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Jugendliche auf einer FridaysForFuture-Demo in Aachen. Foto: Christian Eichler / detektor.fm

Der Atomausstieg ist beschlossene Sache, 2022 soll das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet werden. Derzeit wird außerdem mit dem Kohleausstieg gerungen. Derzeit wird das Jahr 2038 anvisiert, so hat es die „Kohlekomission“, die eigentlich Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung heißt, vorgeschlagen. Bis dahin sollen noch Milliarden in die Branche fließen. Strukturförderung. Das Vorhaben ist umstritten, 2038 sei viel zu spät, heißt es. Und dennoch: schaut man sich an, wie in den USA und in Deutschland Strom erzeugt wird, zeigt sich, dass Deutschland mittlerweile einen etwas anderen Weg eingeschlagen hat. Gleichzeitig ist den USA gelungen, in den letzten Jahren ihre CO2-Emissionen zu reduzieren.

Dort geht man davon aus, auch in den nächsten 60, 70, 80 Jahren noch auf Öl, Kohle und Gas zu setzen. Ansonsten würden sich auch die Milliarden-Investitionen in den Ausbau von LNG kaum rentieren. Zwar sprechen Betreiber, Politiker und Lobbyisten von einer „Brückentechnologie“. Allzu früh will man aber nicht von dieser Brücke abfahren.

Dan Brouillette war früher Geschäftsmann, hat lange bei Ford gearbeitet. Heute ist er stellvertretender Energieminister der USA. Er wartet in einem fensterlosen Raum im Energieministerium, die Klimaanlage kühlt den Raum runter, für deutsche Verhältnisse ein bisschen zu kalt. Brouillette spricht über die Ziele der USA, einen vorgeschriebenen Strommix will man hier nicht. Das bedeutet aber nicht, dass man im Energieministerium keine Ziele verfolgt. Der Fokus liege, so Brouillette, auf einer sauberen, effizienten Energie, die bezahlbar ist. Hier einen Weg einzuschlagen, der all diese Aspekte verbindet, ist kompliziert. Eine Umfrage hat gezeigt, dass die Amerikaner zwar zu großen Teilen an den menschengemachten Klimawandel glauben. Nicht alle aber sind bereit, für grünere Energie auch mehr zu zahlen. 57 Prozent der Befragten einer Umfrage des Energy Policy Institute at the University of Chicago (EPIC) gaben an, für eine CO2-Steuer zumindest einen US-Dollar im Monat zu bezahlen, manche von ihnen bis zu 100 US-Dollar. 43 Prozent aber sind gar nicht bereit, irgendetwas zusätzlich zu zahlen. Das schränkt die Möglichkeiten einer grünen Energie schon deutlich ein.

Der Fokus auf LNG ist damit gar nicht so verkehrt. Es ist im Vergleich zu Kohle erst einmal umweltfreundlicher. Es ist aber eben nach wie vor ein fossiler Energieträger. Klimaforscher sagen, dass wir uns nahezu komplett von der fossilen Energie verabschieden müssen.

Fragt man Dan Brouillette, ob er denn nicht glaubt, dass der Fokus auf die fossilen Energieträger den Klimawandel nur befördert und dem dringend benötigten Ausbau der Erneuerbaren Energien schadet, kann er nur den Kopf schütteln. Nein, das glaube er nicht, sagt er.

Barry K. Worthington geht sogar noch ein bisschen weiter. Worthington ist seit 1988 Geschäftsführer der United States Energy Association (USEA), einem Verband der amerikanischen Energieindustrie. 150 Unternehmen vertritt die USEA, sie kommen aus dem gesamten amerikanischen Energiesektor. Mit dabei sind zum Beispiel Exxonmobile und Shell. Laut Eigenaussage liegt das Interesse der USEA in der „Förderung einer nachhaltigen Energieversorgung und -nutzung zum größten Nutzen aller“ (to promote the sustainable supply and use of energy for the greatest benefit of all). Im Gespräch mit Worthington aber wird man das Gefühl nicht los, dass es der Vereinigung doch insbesondere und zu allererst um den fossilen Sektor geht.

Worthington glaubt deswegen auch nicht, dass die USA jemals ohne fossile Energieträger auskommen werden.

I would disagree with the initial premisse that you should be fossil fuel free by some day in the future. Barry Worthington, 06. Mai 2019

Auch für Deutschland hält er das für keine gute Idee, das Wetter in Deutschland sei einfach nicht dafür gemacht, um komplett erneuerbar Energie produzieren zu können, sagt er.

Diese Einstellung passt auch zur Politik der US-Regierung. Präsident Donald Trump macht gar keinen Hehl daraus, dass er vom Klimawandel und insbesondere vom Klimaschutz nicht allzu viel hält. Kohle, Öl, Gas – das sind die Energieträger, die Trump und seine Regierung stärken wollen.

Dabei geht die Regierung sogar deutlich weiter, als es selbst die Branchenvertreter fordern würden. Zum Beispiel, als Trump der Europäischen Union mit neuen Strafzöllen auf Autos drohte, wenn sie nicht endlich, endlich amerikanisches LNG importieren würde. Die EU stimmte zu, bald schon wolle man den Amerikanern ihr Flüssiggas abnehmen. Die Branche freut’s – hatte aber gar nicht um ein solches Vorgehen gebeten, sagt Charlie Riedl.

Aber natürlich ist es auch für Riedl und die Unternehmen, die er vertritt, wichtig, dass Europa in Zukunft LNG abnimmt. Das hat wirtschaftliche Gründe – man will ja auch an den Europäern verdienen.

Die USA haben aber auch geopolitische Gründe für ihren Druck auf Europa. Die USA haben nämlich nach wie vor Konkurrenz aus dem Osten. Als 2011 die Nord Stream-Pipeline eingeweiht wurde, waren die USA dagegen. Wieso jetzt auch noch Nord Stream 2 gebaut wird, ist da aus Sicht der Amerikaner umso unbegreiflicher. Russland als größter Energielieferant für Europa? Das berge vor allem Gefahren, sagt Dan Brouillette.

Hinzu kommt aber ein weiterer Aspekt. Denn mit Sicherheit stimmt auch: man wäre selbst gerne der größte Energielieferant für Europa. Derzeit exportieren die USA in 27 Länder weltweit. Die größten Abnehmer aber sitzen nicht in der EU.

Derzeit ist die Energiezufuhr nach Europa schwierig, mit LNG aber dürfte das deutlich einfacher sein. Wir erinnern uns: das Flüssiggas nimmt nur einen Bruchteil des Volumens von herkömmlichem Gas ein und lässt sich über Schiffe gut von A nach B bringen.

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Ein LNG-Schiff aus den Niederlanden. Foto: Lex van Lieshout / ANP / AFP

Also auch von Freeport nach Brunsbüttel. Dort könnte nämlich ein neues Terminal entstehen, um LNG in Deutschland entgegenzunehmen. Kürzlich erst hat der Bundesrat den Plänen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) grünes Licht gegeben. Durch das neue Gesetz soll eine Investition in solche Terminals erleichtert, Hürden sollen abgebaut werden. Damit will Altmaier private Investoren locken, um LNG in Deutschland voranzubringen.

Für die Versorgungssicherheit mit Gas ist es für Deutschland wichtig, möglichst viele Versorgungswege und Versorgungsquellen nutzen zu können. LNG, das im Ausland gewonnen und per Schiff zu uns transportiert wird, kann dazu beitragen. Peter Altmaier in einer Pressemitteilung des BMWI vom 27.03.2019

Mindestens zwei Terminals sollen hierzulande entstehen, eins in Brunsbüttel, das andere wohl in Wilhelmshaven oder Stade. Vielleicht sogar in allen drei Städten. 120 Millionen Euro würde der Anschluss ans Gasnetz kosten, wenn man alle drei Terminals in Betrieb nimmt. Zahlen sollen das die Gasnetzbetreiber, so hat es Altmaier vorgeschlagen und der Bundesrat bestätigt. Heißt auch: am Ende dürften die Kosten dafür wohl auf die Verbraucher umgelegt werden. Wie sinnvoll also ist es, solche Summen zu zahlen und LNG zu importieren?

Wie umweltfreundlich ist LNG?

Die einen sagen, dass LNG eine gute Ergänzung zu Erneuerbaren Energien wäre, da es immerhin besser ist als Kohle. Dan Brouilette zum Beispiel glaubt das, Barry Worthington auch. Die anderen aber sagen: auch LNG ist nicht wirklich sauber, das Festhalten an fossilen Energieträgern ist nicht zukunftsgerichtet.

Our point of view is, that LNG is a bad thing. Because methane gets trapped in the atmosphere as much as CO2 and causes as much of a climate problem as the coal plants at least for the first 20 years of its use. Susan Stevens Miller, 03. Mai 2019

Susan Stevens Miller ist Anwältin bei der Non-Profit-Umweltkanzlei „Earthjustice“. Dort setzt sie sich gegen die Förderung von fossilen Energien ein und fordert einen schnellen Übergang zu Erneuerbaren Energien. Von dem Argument, dass LNG weniger umweltschädlich sei, lässt sie sich nicht überzeugen. Das liegt vor allem daran, dass LNG eben überwiegend aus Methan besteht.

Entweicht es – bei der Produktion, beim Transport, im Lager – gelangt es in die Atmosphäre. Dort richtet es große Schäden an, ist sogar schädlicher als CO2. Methan hat ein Treibhauspotential von 28. Das bedeutet, dass es, auf 100 Jahre gerechnet, 28 mal schädlicher ist als Kohlendioxid. Und das ist immerhin das Gas, das heute in den großen Debatten rund ums Klima und dem Schutz dessen als absoluter Killer gilt. Immer geht es darum, CO2 möglichst einzuschränken, CO2-neutrale Alternativen zu entwickeln, CO2, CO2, CO2.

Von Methan ist in den aktuellen Diskussionen nur selten die Rede. Vielleicht auch, weil von 1990 bis 2017 die Methan-Emissionen weltweit massiv zurück gegangen sind, insgesamt um 54 Prozent. Außerdem macht Methan nur einen sehr, sehr geringen Anteil in der Atmosphäre aus. Spricht man heute über Methan, passiert das deswegen auch eher scherzhaft – sollen die Kühe doch aufhören, zu pupsen. Dabei ist Methan ein gängiges und vor allem bekanntes Nebenprodukt der Erdölgewinnung. Und jetzt auch Hauptbestandteil von LNG.

Derzeit vertritt man innerhalb der Branche die Meinung, dass das deswegen kein wirkliches Problem sei, weil man alles genau im Blick habe und es so schlicht nicht zu sogenanntem Methanschlupf, also zum ungewollten Entweichen von Methan, komme. Zumindest nicht in dem Ausmaße, als dass es besonders schädlich für die Umwelt wäre.

Die Unternehmen begründen das schon allein durch die Unwirtschaftlichkeit solcher Lecks. Immerhin würden sie damit bares Geld in die Luft pusten, erklärt Charlie Riedl.

Das klingt einleuchtend, aber entspricht das auch tatsächlich der Realität? Man könnte genauso gut meinen, dass die Kosten, um solche Löcher zu schließen, die des entwichenen Methans übersteigen. Und schon wäre der wirtschaftliche Anreiz dahin. Hinzu kommt: Methanschlupf muss auch erst einmal bemerkt werden. Da man es weder sieht noch riechen kann, bedarf es spezieller Technik, um es sichtbar zu machen.

Dass nicht alles so sauber und reibungslos funktioniert, befürchtet auch Mark Brownstein. Er ist Senior Vice President der Energie-Abteilung beim Environmental Defense Fund (EDF) in den USA. Bei der Umweltorganisation steht man LNG – nicht überraschend – skeptisch gegenüber. Das liegt auch an den Erfahrungen aus dem Jahr 2015, die der EDF gemacht hat. Mark Brownstein zeigt ein Bild (Bildnachweis: EDF / AFP) und erzählt:

Ein einzelnes Leck macht alle Bemühungen, Treibhausgase einzusparen, für ein komplettes Jahr zunichte. Nun geschieht so etwas wahrlich nicht jeden Tag, ganz ausschließen lässt sich ein solches Ausmaß von Methanschlupf aber eben nicht. Durch die Förderung von LNG könnte der Anteil an Methan in der Atmosphäre also durchaus wieder steigen.

Ein Besuch im LNG-Terminal

Nun sieht es aber so aus, als würde Deutschland am LNG festhalten wollen, ebenso wie die Vereinigten Staaten. Wie entsteht es also, wie kommt es nach Deutschland?

Ein Besuch im LNG Freeport-Terminal in Quintana, Texas. Keine Meile trennt das Terminal vom Golf von Mexiko, zwischen der Anlage und dem Wasser stehen nur ein paar Häuser auf Stelzen. 2017 haben hier, in Quintana, nur noch etwa 95 Menschen gelebt. Und tatsächlich verwundert es, dass hier überhaupt noch jemand wohnt. Das LNG-Terminal ragt nur wenige Meter von den Häusern entfernt in die Höhe, derzeit ist es Baulärm, den man hört, später wird es dann der Betrieb sein, der für eine ungemütliche Geräuschkulisse sorgt.

Noch wird die Anlage umgebaut, früher hat man hier mal LNG importiert, nun soll es von hier exportiert werden. Seit 2010 widmet man sich in Freeport dem Verflüssigungsprozess, seit 2014 wird das Terminal umgebaut. Die ersten drei trains sollen ungefähr 14 Millionen Tonnen LNG pro Jahr transportieren, ein vierter train soll noch hinzukommen. Die erste Export-Fuhre soll im September dieses Jahres die Golfküste verlassen. Das ist ein bisschen später, als ursprünglich geplant. Entmutigen lässt man sich davon aber nicht.

Auf dem Gelände in Quintana begrüßt einen Robert Pate, er ist Production Manager bei Freeport. Er trägt wuchtige Boots, lange Jeans, ein langes, dunkelbraunes Hemd. Und später: einen grauen Helm und eine Schutzbrille. Wohlgemerkt bei nahezu 30 Grad Celsius und strahlendem Sonnenschein.

Bevor man das Gelände tatsächlich betreten darf, gibt es erst drei Vorführungen. Ein Video über das Unternehmen, eines zur Sicherheit auf der Anlage und dann noch ein paar Experimente mit LNG. Einen guten Meter von den Besuchern entfernt taucht Freeport LNG-Mitarbeiter Quan Vu Rosen in LNG und kippt das Flüssiggas auf den Teppich. Es zischt und brodelt ein bisschen, der Teppich bleibt aber unbeschadet. Die Rose hingegen gefriert – und zerbröselt in Vus Händen.

Er macht noch zwei, drei weitere Experimente. Zum Beispiel taucht er eine Art Cracker ins eiskalte Flüssiggas. Dann wartet er einen Augenblick – und beißt rein. Wer will, darf auch mal. Und einige der anwesenden Journalisten trauen sich auch. Bisschen kalt und trocken ist der Cracker, sonst aber ganz normal. Die Message hinter diesem Termin: schaut her, wie ungefährlich LNG für den Menschen ist.

Dann schließlich geht es mit dem Bus los zu den Kühltürmen. Auf dem Weg dahin passiert man einen historischen Friedhof – mitten auf dem Freeport-Gelände. Aussteigen darf man nur an wenigen Stellen, das hat vor allem auch Sicherheitsgründe. An zwei Stellen macht der Bus einen Halt, die Besucher strömen in die Hitze. Vor ihnen steigt die Anlage empor, unzählbar viele Rohre verflechten sich zu einem Konstrukt, rund herum sind noch immer Baugerüste zu sehen. Motoren, Kühlturme, tausende Meilen an Rohren und Pipelines – LNG zu produzieren ist gar nicht so einfach.

Damit es in Freeport nicht zu unkontrolliertem Methanschlupf kommt, wie es der EDF in Kalifornien entdeckt hat, probt man hier regelmäßig den Ernstfall. Die Besucher sind schon wieder am Eingang, da hört man eine Sirene im Hintergrund. Kein Grund zur Sorge, versichern die Mitarbeiter, nur ein Test.

Clean Coal: #EndWarOnCoal

LNG-Terminals sind aber nicht die einzigen Energieanlagen, die man nur mit Schutzbrille- und Helm besuchen kann. Gleiches gilt für die „Clean Coal“-Anlage Petra Nova. Saubere Kohle, das klingt vielversprechend, ja fast schon traumhaft. Denn wäre Kohle ein sauberes Produkt, bräuchte es in Deutschland keine Kohlekommission und keine Debatten darüber, wann wir aus der Kohle aussteigen (müssen und sollten). Derzeit aber ist es so, dass Kohle keineswegs ein sauberer Energieträger ist. Bei der Verbrennung von Kohle entsteht nämlich CO2, eines der schlimmsten Treibhausgase (mehr unter „Was ist Methan?„). Hierbei entsteht eine beachtliche Menge, immerhin werden etwa 40 Prozent des weltweiten Stroms aus Kohle gewonnen.

Auch US-Präsident Donald Trump hat die Clean Coal für sich entdeckt. Ein gefundenes Fressen für einen der wichtigsten Befürworter der fossilen Energiebranche. Dem Präsidenten ist der Klimawandel zwar weitestgehend egal – mittlerweile leugnet er ihn immerhin nicht mehr -, wenn er aber Klimaschutz und den Branchenschutz unter einen Hut bringen kann, wieso nicht.

Deswegen gibt es im Energieministerium auch eine Abteilung für „Clean Coal and Carbon Management“. Lou Hrkman ist dort stellvertretender Leiter. Anzutreffen ist er nun in Petra Nova, er ist extra aus Washington D.C. gekommen. Warum setzt man hier auf Carbon Capture, also das Einfangen von CO2, kostet ja schon einiges? Weil man Kohle nicht einfach hinter sich lassen wolle, sondern sie lieber sauber nutzen will, erklärt er.

Die Idee der sauberen, umweltfreundlichen Kohle begeistert aber auch in Deutschland die Politik. Was also steckt dahinter, wie lässt sich die Kohle vom Klimakiller in einen Öko-Energieträger umwandeln?

Dafür braucht es zwei Verbesserungen. Zum einen müssen die Anlagen effizienter werden, damit die Kohle besser verbrannt werden kann. Der weitaus wichtigere Aspekt aber ist, dass das Kohlendioxid in Zukunft eingefangen wird – es soll gar nicht erst in die Atmosphäre gelangen. Aber wohin soll es dann? Wenn schon nicht gen Himmel, dann eben in die entgegengesetzte Richtung: in den Boden oder ins Meer.

Die Methode funktioniert, in Norwegen zum Beispiel verstaut man sein CO2 schon länger im Untergrund. Auch, weil man dort eine CO2-Steuer hat. Das Treibhausgas einfach in die Luft zu pusten, wäre schlicht unwirtschaftlich, weil teuer. Das Problem: auch das sogenannte Carbon Capturing kostet – Geld und Energie. Energie, um das Kohlendioxid überhaupt erst einzufangen. Geld, um die Anlagen umzurüsten, das Treibhausgas zu lagern und die Lager zu kontrollieren.

In Petra Nova fängt man das CO2 deswegen zwar ein, lagert es aber nicht. Seit 2016 wendet man in der Anlage das Carbon Capture-Verfahren an. Laut eigener Aussage konnte man die CO2-Emissionen dadurch um 90 Prozent senken. Das Projekt setzt neue Maßstäbe in den USA. Auf der Website des Kohlekraftwerks springt einem aber noch eine weitere Zahl ins Auge: + 1300%. Um diesen Faktor konnte man durch das CO2 die Ölproduktion in umliegenden Ölfeldern ankurbeln. Das CO2 wird in die Reserven unter dem Boden gepumpt, dadurch verbessert sich der Fluss des Öls, mehr davon kann über die Quellen an der Oberfläche geborgen werden. Statt das CO2 aufwendig verschwinden zu lassen und zu lagern, nutzt man es also einfach weiter. Da damit Öl gefördert wird, darf der saubere Aspekt der Petra Nova-Kohle allerdings angezweifelt werden.

In Texas aber dreht sich nicht nur alles um Öl und Gas und Kohle. Zwar profitieren viele Städte im Lone Star State vom flüssigen Gold (Houston ist quasi das Herz der ganzen Branche vor Ort). Etwa 30 Meilen nordöstlich von Austin aber setzt man lieber auf nachhaltigere Energiequellen.

Whisper Valley: die grüne Oase im Öl-Staat

Fährt man auf dem Texas State Highway 130 entlang, kommt man in der Nähe von Austin an einer kleinen Steinmauer vorbei. Auf ihr steht ein Logo: Whisper Valley. Hier einmal abbiegen, dahinter verbirgt sich „Austins first EcoSmart, ZeroEnergy Community“. Noch wirkt alles ein bisschen spartanisch, viele Häuser befinden sich noch im Bau. Platz ist derzeit deswegen nur für rund 70 Haushalte. In zehn Jahren aber sollen hier etwa 16.000 Menschen wohnen.

Sie leben dann in Häusern, die über eine Geothermieanlage im Vorgarten verfügen. Und über Solarpanels auf dem Dach. Außerdem sind die Häuser so gebaut, dass sie möglichst energieeffizient sind.

Der Bus, in dem die Gruppe Journalisten anreist, hält vor dem Community Center. Drinnen gibt es vor allem Infos: über Google Fiber, das in ganz Whisper Valley verfügbar ist. Über energieeffiziente Haushaltsgeräte, Stromsparmaßnahmen. Eben alles, was zu einem möglichst nachhaltigen Leben dazu gehört oder es erleichtert. Hinter dem Gebäude gibt es einen Pool, den alle nutzen können. Das Teilen spielt in Whisper Valley sowieso eine große Rolle: es gibt Gemeinschaftsgärten, ein Fitness Center für alle, gemeinsame Spielplätze und Veranstaltungen, zu denen alle Bewohner eingeladen werden.

Jay Hubert lebt etwa seit einem halben Jahr in Whisper Valley, gemeinsam mit seiner Frau ist er dort hingezogen. Seine letzte Stromrechnung hat um die 16 Dollar betragen – für einen Monat Energie. Sein Ziel ist es, in Zukunft sogar noch Geld rauszukriegen. Wenn es gut läuft, kann er über seine Solarpanels mehr Energie ins Netz zurückspeisen, als er selbst benötigt. Kochen, Duschen, das E-Auto aufladen – all das funktioniert dann quasi zum Nulltarif. Ähnlich ist es bei Alyssa Collins – sie war die Erste, die nach Whisper Valley gezogen ist. Die 27-Jährige legt großen Wert auf Nachhaltigkeit, da war der Umzug ins energieeffiziente Eigenheim die logische Konsequenz für sie.

Will Holford von Bluebonnet Electric kennt die Vorteile der Energieproduktion in Whisper Valley. Gerade der Mix aus Solarpaneelen auf dem Dach und der Geothermieanlage im Boden macht die Umsetzung so reizvoll, erklärt er. Bislang gebe es nur Gemeinden, die entweder Geothermie oder Solarengergie nutzen. Durch die Kombination erreichen die Häuser einen sogenannten HERS-Index von 20. Das bedeutet, dass sie etwa um 80 % effizienter sind, als ein Standardhaus, das für den Index zum Vergleich herangezogen wird.

Gebaut wird das Dörfchen mitten in Texas ausgerechnet von einem DeutschenGünther Reibling kommt gebürtig aus München, wohnt aber seit einigen Jahrzehnten in den USA. Er sagt, dass in Whisper Valley nicht nur die Energieeffizienz im Vordergrund steht. Ebenso wichtig: gar nicht erst Strom verbrauchen. Das dürfte dann auch ein Tipp für jedermann sein, egal, ob der Strom durch LNG, Clean Coal oder Solar produziert wird.




Rabea Schloz war für 10 Tage in den USA, um mehr über LNG und die Energiesicherheit vor Ort zu erfahren. Die Kosten für die Reise hat  das Foreign Press Center des U.S. Department of State getragen.

Dank geht an Walter Wieland von der US Embassy in Frankfurt und Sarah Katz (katztale.com) für die Unterstützung und Fotos, die für diesen Text verwendet werden durften.